Verfassungsbeschwerde gegen WindSeeG teilweise erfolgreich

Bundesverfassungsgericht bestätigt Fehler im Umgang mit Offshore-Windprojekt Kaikas
20. August 2020

 „Mit dem heutigen Urteil hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass der entschädigungslose Ausschluss des Projektes Kaikas von zukünftigen Ausschreibungen nicht rechtmäßig war. Damit wurde das Vertrauen der Wirtschaft in das deutsche Rechtssystem zwar in Teilen bestätigt. Trotzdem ist es aus unserer Sicht – besonders hinsichtlich der ambitionierten Klimaziele – absolut unverständlich, weshalb ein bereits genehmigtes Projekt nicht auch gebaut werden soll. Aber nicht nur mit Blick auf die Vergangenheit ist das Urteil wegweisend, sondern auch mit Blick auf das aktuell vorliegende Gesetzgebungsverfahren zum Windenergie-auf-See-Gesetz.“, erläutert Stefan Thimm, Geschäftsführer des BWO.

Mit der Novelle des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG) 2017 fiel die Kontrolle über bestehende Projektrechte zunächst an den Staat, damit dieser Ausschreibungen für den weiteren kosteneffizienten Ausbau der Offshore-Windenergie durchführen kann. Als Kompensation für diesen Verlust hatte der Gesetzgeber den betroffenen Projektentwicklern, die bis dahin im Vertrauen auf den bestehenden Rechtsrahmen zweistellige Millionenbeträge investiert hatten, ein Eintrittsrecht eingeräumt. Dieses Eintrittsrecht sieht vor, dass die bisherigen Projektinhaber nach der Auktion die Möglichkeit erhalten, ihr Projekt zu den bezuschlagten Konditionen zu realisieren – selbst dann, wenn ein anderes Unternehmen den Zuschlag erhalten hat. Das Eintrittsrecht ist folglich die rechtmäßige Entschädigung für die verlorenen Projektrechte. Als einziges bereits genehmigtes Offshore-Windprojekt wurde Kaikas von den im Windenergie-auf-See-Gesetz vorgeschriebenen Ausschreibungen ausgeschlossen – ohne Entschädigung. Der Grund: Im März 2015 hatte das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie erklärt, dass Planfeststellungsverfahren für Offshore-Windenergieprojekte der Zonen 3 bis 5, nicht weiter fortgeführt würden, da keine zeitnahe Netzanschlussperspektive bestehe. Alle Versuche einer politischen Lösung für das genehmigte Projekt von wpd schlugen fehl. Der Fall landete vor dem Bundesverfassungsgericht.

Laufendes Gesetzgebungsverfahren gefährdet erneut Rechte von Investoren

Auch in diesem Jahr wird das WindSeeG wieder novelliert. Nach Auffassung des BWO besteht hier erneut die Gefahr, dass der Gesetzgeber mit der Einführung einer zweiten Gebotskomponente die Rechte von Investoren nachträglich beschneidet.

„Das Eintrittsrecht ist die rechtmäßige Entschädigung für die abgetretenen Projektrechte. Die Einführung einer zweiten Gebotskomponente würde unserer Rechtsauffassung nach das Eintrittsrecht im Nachhinein entwerten, da sie die Wirtschaftlichkeit und somit die Realisierungswahrscheinlichkeit von Projekten erheblich mindert“, erklärt Stefan Thimm, Geschäftsführer des BWO. Durch eine Präzisierung des WindSeeG habe der Gesetzgeber im Jahr 2017 die Abgabe negativer Gebote in zukünftigen Ausschreibungen ausgeschlossen. Dies würde durch die zweite Gebotskomponente nun für die Ausschreibungen ab 2021 nachträglich eingeführt. „Eine solche Konzessionszahlung bzw. ein negatives Gebot stellt einen gravierenden Bruch mit den erst im Jahre 2017 eingeführten Ausschreibungsgrundsätzen dar. Zwei unabhängig voneinander beauftragte Rechtsgutachten kommen daher zu dem Ergebnis, dass die Verfassungsmäßigkeit der zweiten Gebotskomponente zweifelhaft ist.“, so Thimm weiter.

Der BWO hatte bereits 2018 ein Alternativmodell vorgeschlagen, das die Stromgestehungskosten gegenüber dem vom Bundeswirtschaftsministerium vorgeschlagenen Modell um bis zu 30 Prozent senken würde. „Das entlastet Verbraucher und Wirtschaft. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftskrise und der erforderlichen Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft nach der Corona-Pandemie muss es darum gehen, international wettbewerbsfähige Strompreise zu sichern“, appelliert Thimm an die politischen Entscheider. Kritisch sei das von der Bundesregierung verfolgte Modell insbesondere für mittelständische und kommunale Akteure. Da nur Bieter mit der höchsten Risikoaffinität den Zuschlag erhalten, würden mittelständische Projektierer und kommunale Unternehmen vom Markt verdrängt. Dies reduziere sowohl die Akteursvielfalt als auch die Wettbewerbsintensität.

Darüber hinaus führe das vom BWO vorgeschlagene Modell zu einer Steigerung der Realisierungswahrscheinlichkeit von bezuschlagten Anlagen. In Anbetracht der Bedeutung der Stromerzeugung auf See für die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit – trotz Kernenergie- und Kohleausstiegs – sei nicht nachvollziehbar, dass die Bundesregierung bereit sei, an dieser Stelle ein vermeidbares Risiko einzugehen.

Mit der zweiten Gebotskomponente schlage die Bundesregierung einen deutschen Sonderweg ein. In den kommenden Jahren würden weltweit enorme Investitionen für den Klimaschutz ausgelöst. Andere europäische Länder, wie DK, UK, IT und FR hätten bereits Differenzverträge eingeführt und so den Boden für Investoren bereitet. Auch Polen habe jüngst angekündigt, 10 GW Offshore Windenergie über Differenzverträge refinanzieren zu wollen. „Deutschland sollte hier nicht ins Hintertreffen geraten, da die CO2-Minderungsziele ohne die entsprechende Realisierung von EE-Anlagen nicht eingehalten werden können“, so Thimm. Einige Investoren hätten bereits angekündigt, bei der Einführung einer zweiten Gebotskomponente in andere Märkte auszuweichen, in denen ein besseres Investitionsklima vorherrsche.

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Lena Dettmer

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