
Olaf Lies
Ministerpräsident des Landes Niedersachsen
Starker Gegenwind, klare Haltung: Olaf Lies über den ersten „Cuxhavener Appell“
Als der Ausbau der Offshore-Windenergie Anfang 2013 ins Stocken gerät, setzt Olaf Lies – damals Wirtschaftsminister in Niedersachsen – gemeinsam mit anderen Vertretern der Küstenländer ein Zeichen: Der erste Cuxhavener Appell warnte vor einem Stillstand der Energiewende und forderte verlässliche Rahmenbedingungen.

Herr Lies, 2013 gehörten Sie zu den Erstunterzeichnern des Cuxhavener Appells. Erinnern Sie sich noch an die Stimmung damals – was hat Sie persönlich bewegt, sich so klar vor die Offshore-Wind-Branche zu stellen?
Es war gewiss nicht leicht. Damals sah sich die Offshore-Branche mit starkem „Gegenwind“ konfrontiert: Die Vorschläge der Bundesminister Altmaier und Rösler im Februar 2013 waren misslich für den Ausbau der erneuerbaren Energien insgesamt. Die sogenannte Strompreisbremse wurde zur Investitionsbremse insbesondere für die Offshore-Windenergie. Der Zeitpunkt konnte kaum schlechter gewählt sein, nachdem man gerade erst die Haftungsregelung und den nötigen Systemwechsel bei den Offshore-Netzanbindungen auf den Weg gebracht hatte. Leichtfertig hat man mit den Vorschlägen eine hohe Verunsicherung bei allen Beteiligten geschürt und damit Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet. Die Arbeitsagentur hatte davor gewarnt, dass rund 5.000 der bundesweit etwa 18.000 Arbeitsplätze in der Offshore-Branche auf der Kippe stehen.

Der Ausbau der Offshore-Windenergie stockte, viele Unternehmen waren verunsichert. Was war für Sie der Moment, in dem klar wurde: Jetzt braucht es ein starkes gemeinsames Signal?
Wir standen vor dem Problem, dass eine kürzlich noch boomende Industrie fast zum Stillstand gekommen war. Viele Arbeitsplätze und investiertes öffentliches Kapital gerieten in Gefahr. Als wäre die Situation nicht schwierig genug gewesen, musste die Offshore-Windenergie auch noch ungerechtfertigt als Sündenbock herhalten. So wurde Offshore von Einzelnen als Kostentreiber der Energiewende verunglimpft und mittels verzerrter Berechnungen als besonders teure Technologie dargestellt. Diese Entwicklung war inakzeptabel – nicht nur für die Branche selbst, sondern für die deutsche Energiesicherheit insgesamt. Für uns war klar: Der Bund musste verspieltes Vertrauen bei der Branche und Investoren zurückgewinnen und für verlässliche Rahmenbedingungen für die Offshore-Windenergie sorgen. In dieser sich immer weiter zuspitzenden Lage, brauchte es Stabilität durch eine vorausschauende Politik. Es brauchte ein starkes Bündnis und einen eingängigen Appell der Küstenländer.

Wenn Sie heute auf die Cuxhavener Appelle ab 2013 zurückblicken – was haben sie bewirkt, und welche Bedeutung hat der erste bis heute für Ihre politische Arbeit?
Aus Cuxhaven ging 2013 ein dringender politischer Weckruf aus, der laut in Berlin gehört werden und dessen Echo bis heute immer noch widerhallen sollte. Wir haben damit genau die richtigen und richtungsweisenden Impulse gegeben, um das politische (Problem-)Bewusstsein zu schärfen und schließlich eine Anhebung der Ausbauziele zu erreichen. Das war ein Riesenerfolg. Denn unsere Forderungen haben Früchte getragen und haben sich in den politischen Programmen manifestiert – etwa im novellierten Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG 2014) des Bundes. Heute wird die Bedeutung der Offshore Windenergie für die energie- und klimapolitischen Ziele von niemandem mehr ernsthaft in Frage gestellt. Dabei sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass unser norddeutsches Bündnis dafür die Kernarbeit geleistet hat. Dass Offshore-Windenergie schließlich fest in die Energiepolitik integriert und darüber hinaus zu einem Schlüssel zur Energiewende wurde, ist ein Verdienst, der darauf zurückgeht. Wir können rückblickend mit Stolz behaupten: Die Cuxhavener Appelle, und insbesondere der erste, sind bedeutende Meilensteine der deutschen Transformationsgeschichte – und sie finden noch mindestens so lange Widerhall, wie wir diesen Prozess erfolgreich voranbringen.

Was 2013 besonders wichtig war:
- Der 400 MW Windpark BARD Offshore 1 geht vollständig in Betrieb
- Mit dem „Bundesfachplan Offshore Nordsee“ veröffentlicht das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) den nach eigenen Angaben weltweit ersten Offshore-Netzplan.
- Das Bundesbedarfsplangesetz tritt in Kraft. Es regelt, welche Stromleitungen in Deutschland als energiewirtschaftlich notwendig und besonders vordringlich gelten.
- Das Schallschutzkonzept des Bundesumweltministeriums für Schweinswale in der Nordsee tritt in Kraft.
