Dynamik bei Offshore-Windenergie überrascht und spornt an
Kommentar von BWO-Geschäftsführer Stefan Thimm
am 21.01.2022 im energate messenger erschienen
Vor kaum mehr als einem Jahr feierten wir die Verankerung von zusätzlichen 5 Gigawatt (GW) Offshore-Windenergie bis 2030 als großen Erfolg – heute ist es als habe jemand über Nacht den Ausbau auf doppelte Geschwindigkeit gestellt: 30 GW bis 2030, mindestens 40 GW bis 2035 und mindestens 70 GW bis 2045. Schon in dieser Woche stellte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in einem Treffen mit der Offshore-Branche erste konkrete Pläne vor. Eine sehr positive Entwicklung, von der wir vor ein paar Monaten noch nicht zu träumen gewagt hätten. Dieser Schwung muss jetzt für die Umsetzung der neuen Ziele genutzt werden.
Der BWO hat am vergangenen Montag den ersten Branchengipfel Windenergie auf See veranstaltet. Die Teilnehmer – von Komponenten- und Turbinenhersteller über Hafengesellschaften, Offshore-Windparkbetreiber und Dienstleister bis hin zu Übertragungsnetzbetreibern – machten deutlich: Es geht nicht mehr um das „Ob“ oder „Wieviel“. Das „Wie“ steht ab sofort im Vordergrund. Jetzt muss die Branche liefern und der Politik gemeinsam ganzheitliche Lösungen anbieten, damit die Umsetzung der neuen Ausbauziele gelingt.
Die neue politische Dynamik hat alle überrascht, aber sie spornt uns auch an. In den nächsten Jahren kommen Investitionen in Höhe von etwa 150 Mrd. Euro auf die Offshore-Branche zu. Daraus ergeben sich große Chancen für die gesamte Wirtschaft und vor allem den heimischen Mittelstand: Produktionskapazitäten werden hochgefahren, neue Jobs entstehen. Und auch zur Entwicklung strukturschwacher Küstenregionen wird der Offshore-Ausbau beitragen. Wenn Wertschöpfung im Land erfolgen soll, dann brauchen wir einen attraktiven und vor allem verlässlichen Markt. Kontinuität lautet das Zauberwort.
Kurzfristig bedeutet das insbesondere eine Beschleunigung der bisher langwierigen Genehmigungsverfahren, damit Unternehmen frühzeitig Planungs- und Investitionssicherheit erhalten und im internationalen Wettbewerb um wichtige Ressourcen – wie Bauteile, Produktions-, Hafen- und Schiffskapazitäten oder Fachkräfte – bestehen können. Außerdem braucht es ausreichend personelle Ressourcen und das passende Mindset in den zuständigen Behörden. Und zügige – wo immer möglich vorgezogene –Ausschreibungen neuer Offshore-Windprojekte.
Offen sind aber auch noch eine ganze Reihe grundlegender Fragen. Eine davon betrifft die medizinische Notfallversorgung: Wer ist für die Rettung in der AWZ zuständig? Die Offshore-Windparkbetreiber übernehmen bereits jetzt Rettungsflüge für Notfälle außerhalb von Offshore-Windparks. Bis heute sind dabei aber weder Kosten- noch Aufgabenteilung klar geregelt. Weitere Fragen betreffen die Anforderungen an den Rückbau am Ende der Lebensdauer von Offshore-Windparks. Und grundlegend wird auch sein, dass wir neue Flächen für die Windenergie auf See ausweisen. Anders sind 70 GW nicht zu erreichen.
Die Branche ist an pragmatischen Lösungen interessiert. Für die Flächenfrage wäre Ko-Nutzung eine Möglichkeit. Diese bietet sich insbesondere für Flächen an, die aktuell für militärische Zwecke genutzt werden. Auch die grenzüberschreitenden Kooperationen müssen vertieft werden. Wir sind zuversichtlich, dass sich mit Hilfe mutiger neuer Denk- und Lösungsansätze ausreichend Flächen finden lassen, um den Ansprüchen des Klimaschutzes gerecht zu werden. Zwischenfazit: Die ersten Vorschläge des BMWK sind richtungsweisend – und machen Lust auf mehr!
Über den Bundesverband der Windparkbetreiber Offshore e.V.
Der Bundesverband der Windparkbetreiber Offshore (BWO e.V.) ist der Bundesverband aller Unternehmen, die in der deutschen Nord- und Ostsee Windparks planen, errichten und betreiben. Damit bündelt der BWO die Kraft und das Know-how für eine erfolgreiche Energiewende in Deutschland und Europa.