Skip to content

Expansion in die Tiefsee mit schwimmender Windkraft

Bisher gibt es sie noch sehr selten — schwimmende Windparks. Die Art der Bodenverankerung ermöglicht es, auch tiefere Gewässer zu erschließen. Daher ist die Methode für viele europäische Länder interessant.
Eine schwimmende Windkraftanlage kommt an ihren Bestimmungsort. (Quelle: Pricipal Power)

Was schwimmt denn da? Richtig – eine Windkraftanlage. Hohlkörperfundamente mit Luft darin machen es möglich. Im Fachjargon wird die Technologie „floating offshore wind energy“ genannt. Das Prinzip erscheint einfach: Windkraftanlagen werden auf schwimmenden Fundamenten errichtet, die am Meeresgrund verankert werden. Die Vorteile dieser Methode gegenüber in den Meeresboden getriebenen Fundamenten liegen auf der Hand. Die Eingriffe in die Meeresumwelt sind weitaus kleiner, da das Vertäuen der Schwimmfundament am Meeresboden weniger laut ist und beim Rückbau kaum Bausubstanz wieder entfernt werden muss. Aber vor allem ermöglichen schwimmende Windparks Windenergie auch an Standorten mit großen Wassertiefen zu nutzen und sie versprechen eine größere Energieausbeute, da mit wachsender Entfernung zur Küste auch die Windstärken zunehmen und so mit mehr Volllaststunden im Jahr gerechnet werden kann. 

Das Potential dieser Technologie ist daher riesig. Rund 80 Prozent der für Offshore-Windenergie infrage kommenden Meeresflächen liegen tiefer als 60 Meter und sind damit für traditionelle am Boden verankerte Windkraftanlagen („bottom-fixed offshore wind“) nicht wirtschaftlich. Mit ihren schwimmenden Pendants soll sich das in Zukunft ändern und mehr Flächen für die Offshore-Windkraft erschlossen werden. Ein Bericht des europäischen Branchenverbandes WindEurope aus dem Jahr 2017 bescheinigt europäischen Gewässern 4000 Gigawatt möglicher Leistung aus schwimmender Windkraft, deutlich mehr als das Potential der USA und Japan zusammen ergeben würden, wie der Bericht betont. Um wie sieht es mit der praktischen Umsetzung aus?

Technologie in den Kinderschuhen: Pilotprojekte

Noch ist die Zahl schwimmender Offshore-Windkraftanlagen weltweit gering. Der Projektumfang reicht von der Testturbine bis zum vollständig angeschlossenen Windpark, wie erst kürzlich das vor Portugals Küste in Betrieb gegangene Projekt „Windfloat Atlantic“. Drei Windturbinen von 8,5 Megawatt wurden dabei im Atlantik in 100 Meter Tiefe an ein 20 Kilometer langes Kabel angeschlossen, dass den Park mit der nächsten Umspannplattform verbindet. Damit gehören die schwimmenden Windräder vor Portugals Küste bisher zu den größten und leistungsstärksten ihrer Art.

International haben europäische Unternehmen bei der Erprobung der Technologie bisher die Nase vorn und leiten laut WindEurope rund drei Vviertel aller „Floating“-Pilotprojekte weltweit. Die Firma Equinor machte 2017 den entscheidenden Schritt und baute 25 Kilometer östlich der schottischen Küste den ersten schwimmenden Windpark „Hywind“ weltweit mit insgesamt fünf Anlagen und 30 Megawatt Leistung. Ideol folgte mit dem Bau einer Pilotanlage („Floatgen“) vor der französischen Atlantikküste. Auch Spanien, Schweden und Norwegen testen seit den letzten zwei bis drei Jahren solche schwimmenden Windkraftanlagen.

Europäische Unternehmen sind die Pioniere, sie leiten heute drei Viertel der über 50 Floating-Projekte weltweit.

Allein in den nächsten zwei Jahren sollen sechs weitere europäische Projekte in den Betrieb gehen, davon vier in französischen Gewässern. Die größten Potenziale liegen dabei vor den Küsten Großbritanniens, Irlands, Frankreichs, Spaniens und Portugals. Dort erstrecken sich weite, tiefe Gewässerflächen bei steil abfallenden Meeresbetten und die Küsten sind oftmals dicht besiedelt mit Städten und Industrie. Das garantiert große Energieerträge bei gleichzeitig kurzen Übertragungswegen. Der weltweit größte schwimmende Windpark „Kincardine“ wird bereits vor der schottischen Küste gebaut. Dabei kommen insgesamt fünf Windturbinen der Schwergewichtsklasse von 9,5 Megawatt zu Einsatz, die Anlagen sollen noch dieses Jahr in Betrieb gehen und laufen damit den portugiesischen schwimmenden Riesenrädern den Rang ab.

Für Betreiber ergeben sich bei schwimmenden Windrädern noch weitere Vorteile: ihre Fundamente sind im Vergleich zu in den Meeresboden verankerten Stahlrohren weniger aufwendig zu installieren und nicht so sehr von den Boden- und Meeresbedingungen abhängig. Bis jetzt sind „Floating“-Anlagen allerdings noch fast doppelt so teuer im Vergleich zu bodenverankerten Fundamenten, da es noch eine sehr junge Technologie ist. Ähnlich wie bei der herkömmlichen Offshore-Windkraft, werden jedoch auch hier Kostensenkungen erwartet. Branchenexperten von WindEurope und der International Energy Agency (IEA) gehen von 38 bis zu 50 Prozent Preisreduktion bis 2050 aus. Das verspricht gute Aussichten für die schwimmenden Turbinen, doch wie funktioniert das Prinzip eigentlich technisch?

Fundamenttypen

Wie bei der Bodenverankerung, gibt es auch bei den schwimmenden Fundamenten verschiedene Varianten. Die vier bekanntesten Methoden sind:

Bei dieser Variante ist die Windkraftanalage auf einem flachen, schwimmenden Fundament montiert. In der Mitte des schwimmenden Körpers ist ein Moonpool eingelassen, er sorgt selbst bei größerem Wellengang für die nötige Stabilität. Das Fundament ist im Meeresbett mit Seilen Verankert.

Die Plattform, meist ein dreieckiges Stahlgerüst mit senkrecht stehenden Zylindern, eignet sich für Tiefen von bis zu 200 Metern. Unten sind große Platten angeschweißt, um vertikale Bewegungen zu hemmen. Die Anlage lässt sich an Land in einem Trockendock aufbauen – ein großer Vorteil gegenüber den anderen Konzepten. Portugal hat die „halbtauchenden Schwimmer“ im „Windfloat Atlantic“-Projekt zum Einsatz gebracht.

Das „Spar-Buoy“-Konzept ist der Pionier unter den schwimmenden Fundamenten und zugleich das materialsparendste. Im schottischen „Hywind“ wurden die Bojen eingesetzt. Es sieht einen großen, hohlen Stahlzylinder vor, der als Schwimmer und Turm dient. Genau wie ein Eisberg reicht er weiter unter Wasser als in den Himmel. An seinem tiefsten Punkt ist er mit Ballast gefüllt, so wandert der Schwerpunkt weit hinunter. Spar-Buoys liegen selbst bei starkem Wellengang stabil in der See. Problematisch ist der immense Tiefgang. Damit sind nur Standorte mit etwa 200 Meter Wassertiefe erschließbar.

Sie eignet sich für Wassertiefen von 50 bis 200 Metern. Ein meist zylindrischer Auftriebskörper wird von straff gespannten Ketten oder Seilen leicht unter Wasser gezogen und auf gleicher Position gehalten. Die Ketten finden entweder direkt am Meeresboden oder an einem bis zu mehrere tausend Tonnen schweren Gegengewicht Halt. Die Halteketten sind in starker See enormen Kräften ausgesetzt.

Die ersten drei Varianten sind lose im Seebett befestigt. Das erlaubt eine leichtere Installation, während die Spannbeinplattform einer festeren Verankerung bedarf. Das erlaubt eine stabilere Struktur. Alle vier Fundamenttypen werden bereits oder sind schon in verschiedenen Projekten im Einsatz erprobt. Einen Überblick über alle geplanten und schon bestehenden schwimmenden Offshore-Projekte bietet der aktuelle „Global Offshore Windreport“.

Ihr Ansprechpartner

andreas-mummert0009_perfectlyclear-4-scaled-ojehphgl3scrs226mawsfrus5yppwevmembpbn2he0

Andreas Mummert

Manager Public Affairs, Technik und Betrieb

Telefon: +49 (0)30 / 28 44 93 41

Direkte Anfrage