2022 – Viel Rückenwind, wenig Budget: Forschung in Zeiten des Osterpakets 

Mit dem Osterpaket 2022 macht die Bundesregierung Tempo beim Offshore-Wind-Ausbau und stellt deutlich ambitioniertere Ziele auf. Für das Fraunhofer IWES bedeutet das zunächst mehr Arbeit und neue Verantwortung. Doch parallel werden die Forschungsbudgets gekürzt. Andreas Reuter berichtet von einem Jahr mit widersprüchlichen Signalen – und erklärt, warum wissenschaftliche Expertise für den Ausbau unverzichtbar bleibt.    
Herr Professor Reuter, 2022 hat die Ampel-Regierung mit dem „Osterpaket“ deutliches Tempo beim Offshore-Wind-Ausbau gemacht. Wie haben Sie diesen Aufbruch aus Sicht der Forschung erlebt und wie hat das Ihre Arbeit beim IWES verändert? 

Grundsätzlich hat sich hierdurch ein positiver Impuls ergeben: plötzlich gab es erheblich mehr zu tun. Allerdings hat dann das Problem rund um den KTF dafür gesorgt, dass unser Forschungsbudget vom damaligen BMWK um mehr als die Hälfte reduziert wurde. Die schlechter werdende wirtschaftliche Situation hat bei vielen Akteuren auch keine Forschungseuphorie ausgelöst. Also eher begrenzte Begeisterung.“ 

Ihr Institut unterstützt die Flächenplanung mit Daten, Messungen und Analysen. Was motiviert Sie persönlich dabei und wo sehen Sie den größten Unterschied, den Forschung hier machen kann?     

Das Besondere an unserer Forschung ist die schnelle Umsetzung in die Praxis. Üblicherweise werden Forschungsergebnisse erst nach vielen Jahren in die industrielle Anwendung gebracht. Bei uns ist das anders teilweise wird ja erst gebaut und dann geforscht. Das motiviert ungemein, weil wir ja sofort die Wirkung unserer Arbeit erfahren können. 

Die Anforderungen an neue Offshore-Flächen sind enorm: Es geht um Wind, Netz, Umwelt und Nutzungskonflikte. Wo stoßen Sie bei Ihrer Arbeit aktuell an Grenzen und was wäre nötig, um noch besser unterstützen zu können? 

Naja – zu tun gibt es wirklich genug, nur die finanziellen Spielräume begrenzen uns enorm. Offensichtlich wäre es, zum Beispiel einen Teil der Einnahmen aus den Ausschreibungen direkt in die dazugehörige Forschung zu investieren das scheint aber nicht so gut anzukommen. 

Wenn Sie Politik oder Verwaltung einen Wunsch mitgeben dürften: Was müsste sich aus Ihrer Sicht ändern, damit wissenschaftliche Expertise noch stärker zum Erfolg der Energiewende beitragen kann? 

Derzeit beschäftigt uns sehr die mittelfristige Perspektive der europäischen Windenergie-Branche und der Wettbewerb mit China. Niemand bei uns möchte die gleiche Entwicklung wie in der Solarbranche erleben. Dafür bräuchte es einen tragfähigen europäischen Ansatz, der auch das Problem der absehbaren Lieferengpässe und der schon bestehenden Abhängigkeiten aufgreift. Erste sehr vorsichtige Diskussionen gibt es schon – aber viel zu zurückhaltend und langsam. Also mehr Ernsthaftigkeit und Tempo wären hier unser Wunsch. 

Was 2022 ebenfalls wichtig war:  
  • Europa hat im Jahr 2022 insgesamt 2,5 Gigawatt Offshore-Windkraftkapazität ans Netz gebracht – in Form von 306 neuen Offshore-Windenergieanlagen, die in sieben Windparks auf See installiert wurden. Die gesamte installierte Offshore-Windkapazität Europas erreicht 30,3 Gigawatt. 
  • Der 342 MW Windpark Kaskasi geht in der deutschen Nordsee ans Netz. 
  • “Osterpaket” (EEG 2023 + WindseeG-Novelle): Anhebung der gesetzlichen Offshore-Wind-Ziele auf mindestens 30 GW bis 2030, 40 GW bis 2035, 70 GW bis 2045. 
  • Einführung einer Gebotskomponente für nicht zentral voruntersuchte Flächen. 
  • Vattenfall übt sein Eintrittsrecht für die Fläche N-7.2 aus, die später unter dem Namen Nordlicht I entwickelt wird.