Der Strom fließt, das System wächst 

Mit der erfolgreichen Inbetriebnahme von fünf Offshore-Netzanbindungen markiert das Jahr 2015 einen Wendepunkt für den Ausbau der Offshore-Windenergie in Deutschland. Tim Meyerjürgens erinnert sich an einen Meilenstein für das Netz – und für die Branche.  

Herr Meyerjürgens, 2015 war ein Durchbruchsjahr für TenneT im Offshore-Bereich: Gleich mehrere große Netzanbindungen gingen erfolgreich ans Netz. Was waren auch für Sie persönlich die bedeutendsten Meilensteine?  

2015 war für TenneT ein Jahr des operativen Durchbruchs: Mit DolWin1, BorWin2, HelWin1, HelWin2 und SylWin1 haben wir fünf Offshore-Netzanbindungen erfolgreich in Betrieb genommen. Damit erreichten wir über 4.300 MW Übertragungskapazität in der Nordsee – und erfüllten bereits zwei Drittel der damals geltenden Offshore-Ausbauziele der Bundesregierung. Diese Projekte waren technologische Pionierarbeit – und zugleich der Moment, in dem Offshore als Infrastruktur sichtbar wurde. Auch für mich persönlich war das ein besonderer Erfolg: Ich habe den Offshore-Bereich von Beginn an mit aufgebaut und gesehen, wie unsere Arbeit greifbare Wirkung entfaltete. Das zeigte sich insbesondere im Oktober 2015, als es erstmals zu einem Offshore-Netzengpass kam – Windstrom von See konnte nicht mehr vollständig eingespeist werden. Das hat uns vor Augen geführt, wie wichtig ein synchroner Ausbau von Netz und Erzeugung ist. Diese Systemlogik prägt unser Denken bis heute. 

G7-Energieminister:innen zu Gast auf HelWin alpha. Foto: © TenneT
Der Weg dahin war herausfordernd. Was waren aus Ihrer Sicht die zentralen technischen und organisatorischen Lehren aus dieser Phase?  

„Unsere Offshore-Projekte waren echte Pionierarbeit – technologisch wie organisatorisch. Die technischen Anforderungen an Hochspannungsgleichstromtechnik auf See sind bis heute hochkomplex: Hochspannungsgleichstromtechnologie, Plattformbau auf Werften, Logistik und Installation im engen Wetterfenster der Nordsee, Kabelverlegung im Wattenmeer – vieles war damals Neuland und mit erheblichen Risiken verbunden. Und: für uns war der Markt an geeigneten Anbietern und Partnern von Beginn an sehr begrenzt.  

Was wir gelernt haben: Technische Exzellenz braucht strategische Partnerschaften, klare Prozesse und Planungssicherheit. Das gilt für langfristige Investitionen genauso wie für die Entwicklung neuer Technologien und Umsetzung komplexer Projekte. Dieses Know-how haben wir kontinuierlich mit unseren Partnern aufgebaut. Heute ist Europa führend in der Offshore-Leistungselektronik – ein klarer Wettbewerbs- und Standortvorteil.“ 

Seit 2015 vollständig in Betrieb: HelWin alpha und beta. Foto: © TenneT
Heute ist Offshore-Wind ein zentraler Pfeiler der europäischen Energiewende. Wie gelang dieser Imagewandel – und was hat sich seitdem technologisch und politisch verändert?  

„Offshore-Wind galt lange als teuer und technisch riskant. Das hat sich grundlegend geändert – durch Erfahrung, Verlässlichkeit und Fortschritt. Heute haben wir eine ausgereifte Infrastruktur mit hohen Verfügbarkeiten und etablierten Standards. Aus der ersten 400-MW-Plattform der Anfangszeit ist zunächst der 900-MW-Standard und nun das TenneT 2-GW-Programm geworden – effizienter, leistungsstärker und skalierbar. Und die Lösungsansätze gehen weiter: Wir entwickeln derzeit Multiterminal-Hubs für die Vernetzung der Gleichstromleitungen von See mit denen an Land. Mit den Nordsee-Anrainerstaaten arbeiten wir am sogenannten DC Overlay Grid – einem länderübergreifenden Offshore-Stromnetz. Auch politisch hat sich viel bewegt: 2015 kam mit den G7-Energieministern erstmals politische Prominenz auf unsere Plattformen – das war ein sichtbares Zeichen dafür, dass Offshore auf die Agenda rückte. Heute wird Offshore grenzüberschreitend gedacht – als europäisches Infrastrukturprojekt und zentraler Baustein der europäischen Energie- und Industriepolitik.“ 

 Was 2015 noch wichtig war:  
  • 2373 MW in Deutschland neu angeschlossen: 302 MW Amrumbank West, 288 MW Baltic 2, 312 MW Borkum Riffgrund 1, 288 MW Butendiek,  288 MW DanTysk, 400 MW Global Tech I, 295 MW Nordsee Ost, 200 MW Trianel Windpark Borkum 

  • 3018,5 MW neue Offshore-Windenergie-Kapazität wurden 2015 in Europa ans Netz gebracht, ein Anstieg von 108,3 % gegenüber 2014
  • Erweiterung EnWG: Offshore-Haftungsumlage für den Ausbau der Offshore-Windenergie
DolWin5 Anlandung in Hamswehrum Foto: © TenneT